Retro Gaming Interview: Dschungel Boy vs. Pitfall Harry

Wie einige Leser vielleicht wissen, schreibe ich semi-regelmäßig kleine und größere Texte für Retro-Magazine wie die „Retro“ selbst, aber auch die „Return“ oder „Good Times kult!“ und – demnächst erhältlich – sogar das altehrwürdige „Yps“. Heute darf ich euch an dieser Stelle ein fiktives Interview zwischen den Protagonisten von Original und Fälschung eines bekannten Activision-Spiels präsentieren… viel Spaß beim Lesen!

Den einen kennt kaum (noch) jemand, den anderen dagegen mindestens die halbe (Atari-)Welt. Dabei sind sie im Prinzip Klone, auch wenn sich eher die Landschaft, durch die sie sich bewegen, ähnlich sieht, als die Sprites es tun…

Retro: Herzlich willkommen und vielen Dank für diese wirklich historische Begegnung. Gerade unser deutschsprachiges Publikum dürfte sich an diverse Spielmodule erinnern, die damals über den Quelle-Versand vertrieben wurden und einem beim Studium von Spiele-Testheften und -büchern irgendwie ein Déjà-vu bescherten… Könnt ihr euch kurz vorstellen?

Tom Boy: Mein Name ist Tom Boy, auch bekannt als Dschungel-Boy, und ich bin so eine Art Junior-Tarzan aus dem Atari-Dschungel.

Pitfall Harry: Mein Name ist Harry und… hey, was soll das, willst du etwa behaupten, irgend ein Computerspieler hat noch NICHT von mir und meinen fabelhaften Abenteuern gehört?

Tom Boy: Es ist ja nicht so, als ob meine Abenteuer weniger fabelhaft gewesen wären…

Retro: Ja, damit sollten wir anfangen. Was genau habt ihr im Urwald eigentlich gemacht?

Tom Boy: Naja, was halt auf dem Schachteltext steht, mutige Pirsch durch den Dschungel, Suche nach verborgenen Schätzen und so…

Retro: Klingt jetzt nicht gerade hochmotiviert.

Pitfall Harry: Ich bin Dschungelforscher, furchtloser Einzelgänger auf Schatzsuche… aber das Wichtigste: Mein Name klingt nach Indiana Jones! Wenn das mal nicht für Glaubwürdigkeit sorgt. Wobei ich im Gegensatz zu Indy keinerlei Angst vor Schlangen hatte.

Tom Boy: Kunststück. Statt meiner Schlangen sind dir ja fast immer nur irgendwelche Baumstämme entgegen gekommen. Das hab‘ ich auch nie kapiert – wofür eigentlich das ganze rollende Feuerholz? King Kongs Kaminfeuer?

Retro: Aber du hast es an anderen Stellen einfacher gehabt, nicht wahr? Die Steine in deinen Teichen waren wirklich nur Steine, während die in Harrys Dschungel sich plötzlich als schnappende Krokodile entpuppt haben. Und du musstest dich auch nur mit großen Hunden in den Tunneln rumschlagen statt mutierter Riesenskorpione.

Tom Boy: So gesehen ist meines tatsächlich das uncoolere Abenteuer. Über die blöden Viecher konnte man ja nicht einmal springen. Ich möchte fast glauben, das ist ein Programmierfehler – jemand hat irgendwo den Titel „Jungle Hunt“ gelesen und ihn mit „Dschungel-Hund“ übersetzt.

Pitfall Harry: Jungle Hunt? Noch so ein Nachmacher.

Retro: Ja, aber technisch nicht schlecht – nur, dass die Ehre, als Erster die Idee gehabt zu haben, natürlich für immer und ewig David Crane gebührt.

Tom Boy: Äh, mal eine andere Frage noch: Jemand hat erzählt, auf der englischsprachigen Verpackung würde ich als „she“ bezeichnet?

Retro: Ein „Tomboy“ ist im Englischen tatsächlich weiblich; so nennt man ein Mädchen, das eher jungenhafte Züge hat. Aber das Sprite gibt eine solche Interpretation wirklich nicht her, oder? Da wären deine kurzen Höschen ja an der Grenze zur Jugendgefährdung.

Tom Boy: Hmpf. Wobei ich mit Pitfall Harrys Outfit auch nicht glaubwürdig durch den Dschungel hechten könnte. Ich halte mich da eher an Lara Croft.

Retro: Also doch ein Mädchenkostüm?

Pitfall Harry: Außerdem, was ist denn ein „glaubwürdiges“ Outfit für den Dschungel? Im Tarzan-Lendenschurz würdest du in der wirklichen Welt heutzutage, noch dazu mit deiner hellen Haut, doch nur einen üblen Sonnenbrand kriegen und frühzeitig an Hautkrebs sterben.

Retro: Mit diesen versöhnlichen Worten beenden wir das heutige Interview und bedanken uns für die seltene Gelegenheit, die ungleichen Geschwister einmal zusammen interviewen zu dürfen…

Tom Boy: Geschwister? Was zum…

Pitfall Harry: (seufzt) Wenn das Mama noch erleben dürfte.

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