Retro-„Interview“: Wizball

Der folgende Text erschien erstmals in der 2024er-Ausgabe der Zeitschrift ASM (Aktueller Software-Markt):

Die letzte Europameisterschaft ist noch nicht so lange her und da ist es doch mehr als passend, einmal ein Interview mit einem Stargast zu führen, der bis jetzt noch viel zu wenig ins Rampenlicht gestellt wurde, obwohl er das mehr als verdient hätte. Aber Moment – ein Interview mit einem WM-Fußball im „Aktuellen Software-Markt“? Wie passt das zusammen? Nicht so richtig, und deswegen führen wir natürlich kein Interview mit einem gewöhnlichen Ball, sondern mit dem einzigartigen WIZBALL! Die ASM 9/87 verlieh dem C-64-Spiel von Sensible Software einen ASM-Hitstern (noch mit Donald Bug im Logo) und Eva Hoogh nannte „Wizball“ in der ASM 10/90 „eines der originellsten Spiele überhaupt“. Mit anderen Worten: ein Star! In diesem Sinne herzlich willkommen, lieber Wizball, und danke für diese außergewöhnliche Gesprächsgelegenheit!

Wizball: Also man BOING müsste viel BOING leicht erst BOING mal das BOING Anti-Grav BOING Extra freiBOING schalten da BOING mit ich nicht BOING ständig un BOING kontrolliert in BOING der Ge BOING gend rum BOING hüpfen muss…

ASM: In der Tat dürfte es schwer sein, auf diese Weise ein sinnvolles Interview zu führen. Augenblick… Wie ging das noch? Eins, zwei, drei von diesen komischen rotierenden grünen Extras aufsammeln, Joystick rütteln… da muss man erst mal drauf kommen! Ein Glück, dass ich die Originalversion gekauft & die Anleitung gelesen habe. Nicht auszudenken, was die Leute von diesem Spiel halten würden, wenn sie nicht wüssten, wie man die Extras aktiviert…

Wizball: Es geht jetzt schon BOING viel besser, aber wir BOING brauchen davon noch eines BOING fürchte ich…

ASM: Vielleicht ist es am besten, wenn ich dann erst einmal mit Ihnen in Ihre Hexenküche fliege, damit Sie Ihren Arbeitsanzug ablegen können…

Wizball: Hexenküche? Das ist doch ein komplett anderes Spiel.

ASM: Ich erinnere mich aber an den hüpfenden Kürbis, der Teil II seinen Untertitel gegeben hat. Und das Spiel ist tatsächlich ein Jahr früher erschienen als „Wizball“… Hmm!

Wizball: Dazu kann ich nichts sagen… Aber Augenblick, ich steige jetzt tatsächlich erst einmal hier raus (tut es). Puh. Viel besser. Und Gott sei Dank gibt’s Reisetabletten. Da kann einem schon übel werden…

ASM: Ach, dafür steht der große Kessel hier…?

Wizball: Nicht lustig.

ASM: Sie haben natürlich recht, Herr „Im Wizball steckender Zauberer“, ähm – haben Sieigentlich auch einen Namen?

Wizball: Manche nennen mich Wiz. Das sind dann wahrscheinlich die, die das Original gekauft haben und die Schachtel und Anleitung besitzen. Wohl die Wenigsten, wenn ich das richtig sehe. Aber einige nennen mich auch Schrödinger. Raten Sie mal, warum.

ASM: Es gab in der Tat einige Beschwerden wegen Tierquälerei. Nifta, die Katze aus dem Catelite – schönes Wortspiel immer noch! – jammert ja erbärmlich, kurz bevor sie ein Leben verliert.

Wiz: Wegen des Gejammers müssen Sie sich an diesen Galway wenden, der hat das programmiert. Genauso wie das Zaubertrank-Geblubbere aus der Highscore-Musik. Und dieses himmlische Game-Over-Gitarrensolo (seufzt)… Keine Sorge wegen Nifta – Sie wissen sicherlich, dass sie als Katze mehr als die üblichen drei Leben hat.

Nifta: Miao! (schält sich aus ihrem Kugel-Anzug und verschwindet in Richtung Fressnapf)

ASM: Das ist erleichternd. Es geht ihr ganz offensichtlich prima. Und im Sequel erfahren wir, dass nicht nur Ihre Katze, sondern auch Sie offenbar Nachwuchs bekommen haben, in dem Fall Ihren Sohn Wizkid, nach dem das Nachfolgespiel benannt ist…

Wiz: Psst, das ist alles inoffiziell. Frau Wiz darf das nicht erfahren.

ASM: Solange sie nicht die ASM liest, wird sie es nicht… Jedenfalls ist bei dem Game-Design die Phantasie mit den Spieleschöpfern ganz schön durchgegangen. Und es wurde auch munter geklaut – die recycleten Brunnengrafiken und Mount Rushmore aus dem ersten Spiel mal nicht mitgerechnet, sieht das in seiner psychedelischen Art eher nach Jeff Minter ohne Lamas aus. Das Spiel ist eine Art Kreuzworträtsel-Tetris-Breakout-Asteroids-Crossover, und sogar Pacman taucht bei letzterem auf.

Wiz: Mount Rushmore muss man definitiv mitrechnen – der war ja komplett aus den USA geklaut und in unsere Welt integriert worden. Immerhin haben wir eine gute Rechtsschutzversicherung für sowas. Viel mehr Ärger haben wir mit den Umweltschützern. Unser Wizkid hat Noten statt umherfliegender Farbtropfen aufgesammelt und der latenten Farbverschmutzung aus Teil 1 noch akustische Verschmutzung hinzugefügt. Den Zustand seines Teenager-Zimmers können Sie sich vorstellen. Und immer wenn er aufräumen soll, schmeißt er das Zeug einfach in den Brunnen und es landet im nächsten Level. Auch nicht gerade umweltfreundlich.

ASM: Bleiben wir bei dem Spiel: Ich möchte fast behaupten, dass „Wizkid“ das Prinzip von Spielen mit inhaltlich kaum zusammenhängenden Minigames und -Challenges perfektioniert hat. Vom Toilettenhumor fangen wir am besten gar nicht an… Rutsch zur Seite, Lazy Jones. Alles ziemlich schräg. 

Wiz: Auch nicht viel schräger, als ein Zauberer, der sich und seine Katze in grüne Kugeln stopft, um Farbtropfen aufzusammeln und Aliens abzuschießen, mit deren Hilfe der böse Zark die Welt in Graustufen verwandelt hat. 

ASM: Da würde ich gerne noch einmal nachhaken – dieser Zark taucht nicht nur in der Hintergrundgeschichte beider Games, sondern in allen möglichen Kontexten auf, und keiner weiß, wo er herkommt. Douglas Adams hat ihn quasi in Großbritannien eingebürgert und als Schimpfwort-Version des großen Propheten Zarquon interpretiert.

Wiz: Hm – an den hatte ich gar nicht gedacht. Ich glaube, das war eher ein Wortspiel mit der Tödlichkeit von bösen Zauberern, ähnlich wie später bei Harry Potters Voldemort. Ein „Sarko-Phagus“ ist übersetzt ein „Totes-Fleisch-Fresser“…

ASM: Ach ja, richtig – wenn man von britischen Zauberern spricht, kommt man um Potter & Co. nicht herum. 

Wiz: Auch das ist alles nur geklaut…

ASM: E-o, e-o!

Wiz: Wie meinen…?

ASM: Pardon, ich war gerade geistig im falschen Paralleluniversum. Aber apropos Paralleluniversum: Da gab es bei unseren Kollegen mit den „Starkiller“-Comics ja noch den „Witzball“…

Witzball 2024 von Rolf Boyke

Wiz: Sowas trage ich mit Fassung – eine Parodie ist immer auch eine Art Verneigung vor dem Original.

ASM: Und haben Sie eigentlich offiziell beim „Grand Monster Slam“ mitgespielt? Die Ähnlichkeit der als Bälle genutzten „Beloms“ mit einem Wizball ist zumindest auf dem Titelbild frappierend.

Wiz: Nein, da hat wohl lediglich jemand einen ähnlichen Zauber benutzt, um sich in diese Ballform zu zwängen. Mein Anwalt lässt mich nicht drüber reden, solange das Copyright-Klageverfahren nicht abgeschlossen ist.

ASM: Dann sollten wir unser Glück nicht überstrapazieren. Vielen Dank für das Interview!

Wiz: Sehr gerne.

Witzball: Fiep!!

ASM: Ja, und natürlich auch ein besonderes Dankeschön an Rolf Boyke für das exklusive Witzball-Porträt!

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